Schlucken vor und nach der Laryngektomie

von Katrina M. Jensen, Fort Worth, Texas, USA

Schlucken. Das Schlucken ist sicher kein Thema, über das wir im täglichen Leben nachdenken. Jedenfalls solange es kein Problem darstellt. Jeder, der schon einmal Probleme beim Schlucken (oder Dysphagie) hatte, kann verstehen, wie etwas, was bislang eine selbstverständliche Fähigkeit war, zu einem Problem werden kann, an das man ständig denken muss – insbesondere beim Essen.

Im Falle der Dysphagie erfolgt die Behandlung Betroffener vor allem im Hinblick auf die Vermeidung von Aspiration. Normalerweise ist dies das typische Behandlungsziel bei Patienten mit Dysphagie; das gilt jedoch nicht für Patienten nach einer totalen Laryngektomie. Schluckbeschwerden bei Kehlkopflosen werden daher oft übersehen. Da das Risiko der Aspiration beim Schlucken nicht mehr besteht, ist das herkömmlich Behandlungsziel nicht mehr relevant. Hinzu kommt, dass die erheblichen anatomischen Veränderungen bei Patienten nach einer Kehlkopfentfernung dazu führen, dass die herkömmlichen Behandlungsmethoden und -praktiken nicht mehr anwendbar sind.

Vor diesem Hintergrund denken viele Patienten wohl, dass ihre Schluckbeschwerden einfach zu den zahlreichen Veränderungen im Zusammenhang mit ihrer Laryngektomie zählen, an die man sich anpassen muss. 

In einem gewissen Umfang stimmt das auch. Das Schlucken nach einer Kehlkopfentfernung ist anders. Die Anatomie ist in einer Art und Weise verändert, die zur Folge hat, dass die physiologischen Aktionen beim Schlucken anders ablaufen. Somit gilt generell: Kehlkopflose schlucken anders. Das Schlucken fühlt sich anders an, und es gibt eine Gewöhnungs- und Lernphase, in der Kehlkopflose entdecken, wie der „neue“ Schlund funktioniert. Dies bedeutet natürlich, dass die neue Situation in einem gewissen Umfang eine Umstellung erfordert. Es wird davon ausgegangen, dass die anfängliche Phase der Anpassung oder Adaption an eine neue und andere Art des Schluckens bei Patienten unmittelbar nach einer Kehlkopfentfernung zu einer der höchsten Inzidenzraten von Dysphagie führt [1].

In einigen Fällen ist es jedoch mehr als nur eine Anpassungsphase, die erforderlich ist, und es kommt zu echten Schluckproblemen. Ist dies der Fall, sollten die auftretenden Beschwerden angemessen behandelt werden, um die Fähigkeit des Patienten, so normal wie möglich zu essen, wieder herzustellen. 

Wenn wir also wissen, dass das Schlucken nach einer Laryngektomie anders ist und eine gewisse Anpassung erfordert, wie kann man dann feststellen, ob ein Patient oder ein Angehöriger an einer echten Dysphagie leidet?

Diese Situation ist für Patienten, Familienangehörige und auch behandelnde Ärzte oftmals verwirrend. Was helfen kann, ist ein allgemeines Verständnis dessen, was normal ist.

Schlucken bei Kehlkopflosen

Um zu verstehen, was beim Schlucken nach Laryngektomie anders ist, muss man sich fragen: Was ist anatomisch und physiologisch anders, und wie funktioniert es?

Viele Patienten finden es sehr interessant zu erfahren, dass der Kehlkopf außer seiner Funktion bei der Stimmbildung auch beim Schlucken sehr wichtig ist und dass die Entfernung des Kehlkopfs daher den Schluckprozess verändert. 

Zunächst muss man wissen, dass beim normalen Schlucken die Stimmbänder direkt im Anschluss an die Einleitung einer Ausatmung schließen, die Luft in der fast vollen Lunge einschließen und so beim Schlucken für den sogenannten „subglottischen Druck“ sorgen [2]. Die Physik des Schluckens wird daher durch die Laryngektomie ziemlich stark verändert, da Kehlkopflose nicht mehr in der Lage sind, den subglottischen / intrathorakalen Druck aufrechtzuerhalten. Vor der Kehlkopfentfernung wurde bei jedem Schlucken ein bestimmter Druck aufgebaut, der dabei half, die Nahrung durch den Pharynx in den Ösophagus zu befördern [3, 4].

Daneben war der Kehlkopf auch ein erheblicher Teil dessen, was als „hyolaryngealer Komplex“ bezeichnet wird. Beim normalen Schlucken bewegt sich dieser Komplex nach oben und vorne. Zusätzlich zur Unterstützung des Transports von Speisen durch den Schlund hilft diese Aufwärts-/Abwärtsbewegung auch beim Öffnen des oberen Ösophagussphinkters [6] (auch „krikopharyngealer Muskel“ oder „krikopharyngealer Sphinkter“ oder oberer Speiseröhrenschließmuskel genannt). Dies ist das muskuläre Ventil am oberen Ende des Ösophagus, das normalerweise geschlossen bleibt, außer wenn es Nahrungsmaterial passiert. Das Öffnen dieses Muskels ist ein komplexer Prozess, der sowohl neurophysiologische als auch mechanische Komponenten aufweist [6]. Die mechanische Komponente wird zum großen Teil vom hyolaryngealen Komplex erledigt, der das Muskelventil bei seiner Bewegung nach oben und vorn auf dem Höhepunkt des Schluckens aufzieht. Nach einer Kehlkopfentfernung ist dies nicht mehr der Fall, da der hyolaryngeale Komplex nicht mehr in seiner präoperativen Form besteht. Die mechanische Komponente des Öffnens des krikophyryngealen Sphinkters geht daher verloren.

Wenn man weiß, wie der Larynx beim Schlucken funktioniert, kann man auch besser verstehen, warum Kehlkopflose Probleme beim Schlucken haben können – aber es gibt noch weitere Veränderungen, die eine Rolle spielen. Nach dem Entfernen des Larynx, muss der Schlund oder „Pharynx“ rekonstruiert werden, wobei dessen Funktionsweise durch die Rekonstruktion ebenfalls verändert wird. Wir wissen, dass die Kräfte innerhalb des Pharynx als Ergebnis der Rekonstruktion in drastischer Weise verändert werden [1]. In vielen Fällen kann sich auch die Position des Zungengrundes verändern, da dieser dazu benutzt wird, den vorderen Teil des Schlunds zu schließen. [7]. Die Hauptmuskeln innerhalb des Schlundes, die Schlundschnürer, werden zylindrisch zusammengenäht [7, 8].

Durch diese operativ bedingten Veränderungen weichen die Abmessungen, die tatsächliche Größe und das Volumen des Schlunds sehr stark von der Situation vor der Kehlkopfentfernung ab. In Abhängigkeit vom Umfang der Laryngektomie und dem ausmaß der Resektion am Pharynx sind sowohl die Länge des Pharynx als auch sein Durchmesser verändert.

Literature

1. E. C. Ward; B. Bishop, (Hons); J. Frisby, ; M. Stevens; “Swallowing Outcomes Following Laryngectomy and Pharyngolaryngectomy”; Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2002;128:181-186. 

2. Eibling D. E.; Gross R. D. “Subglottic air pressure : A key component of swallowing efficiency”; The Annals of otology, rhinology & laryngology    ISSN  0003-4894.

3. Gross, R.D. Steinhauer, K.M.; Zajac , D.J., Weissler, M.C., “Direct Measurement of Subglottic Air Pressure While Swallowing” The Laryngoscope; Volume 116 Issue 5; pages 753–761, May 2006

4. Gross, R.D.,  Atwood, Jr., C.W., Grayhack, J.P., Shaiman, S.; “ Lung volume effects on pharyngeal swallowing etiology” J Appl Physiol 95:2211-2217, 2003.

5. Logemann, J.A., Pauloski, B.R.,, Rademaker, A.W., Colangelo, L.A., “Super-supraglottic swallow in irradiated head and neck cancer patients” Head and Neck, Sept 1997 pp 535-540

6. Cook, I.J., “Clinical disorders of the upper esophageal sphincter” GI Motility online (2006) doi:10.1038/gimo37

7. Bailey, B.J., Johnson, J.T.,  Newlands, S.D., “Advanced Cancer of the Larynx, ch 122” Head and Neck Surgery—Otolaryngology,; Fourth Ed,  Lippincott, Williams & Wilkins 2006, pp 1758-2302.

8. Davis, RK, Vincent, ME, Shapshay, SM, Strong, M.S., “The anatomy and complications of "T" versus vertical closure of the hypopharynx after laryngectomy.”  Laryngoscope ,1982 Jan;92(1):16-22.

9. Deschler, DG,  Blevins, NH., Ellison, DE., “Postlaryngectomy Dysphagia Caused by an Anterior Neopharyngeal Diverticulum.” <cite>Otolaryngol Head Neck Surg</cite> July 1, 1996 vol. 115 no. 1 167-169

10. de Casso C., Slevin N.J., Homer J.J. “The impact of radiotherapy on swallowing and speech in patients who undergo total laryngectomy” (2008) Otolaryngology - Head and Neck Surgery, 139 (6), pp. 792-797.

11. Greenspan D.; “Xerostomia: Diagnosis and management.” Oncology 1996;10(Suppl):7-11.

12. Shaw GY, Sechtem PR, Searl J, Keller K, Rawi TA, and Dowdy E. Transcutaneous neuromuscular electrical stimulation (VitalStim) curative therapy for severe dysphagia: myth or reality? Ann Otol Rhinol Laryngol 116: 36-44, 2007.

13. Ryu JS, Kang JY, Park JY, Nam SY, Choi SH, Roh JL, Kim SY, and Choi KH. The effect of electrical stimulation therapy on dysphagia following treatment for head and neck cancer. Oral Oncol 2008.

14. Allescher, HD., Ravich, WJ., “Medical treatment of esophageal motility disorders.” Dysphagia Vol 8, No 2, pp. 125-134 DOI: 10.1007/BF02266993