Geruchs und Geschmacksstörung

von Katrina M. Jensen, Fort Worth, Texas, USA

Viele Patienten haben nach einer Kehlkopfentfernung das Gefühl, ihr Geschmackssinn sei verändert oder stark vermindert. Tatsächlich aber sehen die Geschmacksknospen des Patienten genauso aus wie vor dem Eingriff. In Bezug auf die Geschmacksknospen auf der Zunge oder die für das Schmecken zuständigen Nerven hat sich nichts geändert. Diese bleiben im Anschluss an eine Kehlkopfentfernung völlig intakt. Aber warum ist dann der Geschmackssinn nach der Operation so anders?

Es ist wichtig zu wissen, dass die Fähigkeit zu schmecken in erster Linie von unserer Fähigkeit zu riechen abhängt. Schmecken mit zugehaltener Nase (vor einer Kehlkopfentfernung) schränkt das Geschmackserlebnis beim Essen stark ein. Das rührt daher, dass rund 70 % des Geschmacksempfindens durch den Geruchssinn vermittelt werden. Die Zunge besitzt Geschmacksknospen, die süß, sauer, salzig, bitter und würzig erkennen können. [2] Aber es ist der Geruchssinn, der unserem Gehirn mitteilt, dass wir gerade ein Stück Pizza und keinen Cheeseburger essen! [4] 

Ebenso wie die Geschmacksknospen sind auch die Nerven, die uns das Riechen ermöglichen, intakt. 

Wenn nun also die Geschmacksknospen normal sind und der Geruchssinn nicht verändert wurde – warum schmeckt das Essen nach der Kehlkopfentfernung dann anders?  Im Anschluss an eine Kehlkopfentfernung bleibt der Geruchssinn letzten Endes intakt. Bei einer Standard-Kehlkopfentfernung gibt es auch keinerlei Auswirkungen des operativen Eingriffs auf die Geruchsnerven, die für das Erkennen von Gerüchen, Aromen und Düften zuständig sind. Was sich jedoch ändert, ist der Weg des Luftstroms beim Atmen. Vor der Kehlkopfentfernung erfolgte der Luftstrom in den Körper über die Nase und den Mund. Der Luftstrom durch die Nase sorgte durch den Kontakt der eingeatmeten Luft und der darin enthaltenen kleinen Partikel mit den winzigen Nervenenden in der Nase, die für den Geruchssinn verantwortlich sind, für das Erkennen von Gerüchen und Aromen. 

Nach einer Kehlkopfentfernung sind die Nase und der Mund vom Luftstrom in die Lunge getrennt. Beim Atmen strömt keine Luft mehr durch Nase und Mund [3]. Ohne Luftfluss durch die Nase kommt es uns so vor, als hätten wir die Fähigkeit zu riechen verloren [5]. 

Und mit dem Verlust des Riechens, verlieren wir ca. 70 % des Geschmackssinns.  Die Fähigkeit zu riechen und zu schmecken bleibt jedoch grundsätzlich erhalten [5]. Was sich jedoch verändert hat, ist die Fähigkeit, so zu schmecken und zu riechen wie vor der Kehlkopfentfernung.

Wiederherstellung von Geschmacks- und Geruchssinn

Wie in vielen anderen Situationen auch, passt sich der Körper den veränderten Umständen beim Schmecken und Riechen an. Man fängt an, subtilere Geschmacksunterschiede wahrzunehmen. Und es können Techniken erlernt und angewandt werden, die dabei helfen, Luft durch die Nasenwege zu bewegen. 

Polite Yawn Technique („höfliches Gähnen“)

Eine Studie hat ergeben, dass ca. 50 % der Patienten nach Kehlkopfentfernung ihren Geschmacks- und Geruchssinn durch die Anwendung der Polite Yawn Technique, der „Technik des höflichen Gähnens“, verbessern konnten. Diese wurde am niederländischen Krebsforschungsinstitut (NKI) entwickelt und ist weit verbreitet als zur Verbesserung des Geschmacks- und Geruchssinns bei Kehlkopflosen. [6]

Bei dieser Technik wird eine wiederholte erweiterte Gähnbewegung durchgeführt, bei der Unterkiefer, Mundboden, Zunge, Zungengrund und der weiche Gaumen gesenkt werden, während die Lippen vollständig geschlossen bleiben. Dies kann Patienten in einfacher Weise vermittelt werden, wenn man es als Gähnen mit geschlossenem Mund beschreibt, also „höfliches Gähnen“. [6] Die Bewegung schafft einen Vakuumeffekt in Mund und Schlund, was dazu führt, dass Luft durch die Nase eingezogen wird. Durch den entstehenden Luftstrom kommen Geruchsstoffe wieder mit der Riechschleimhaut in Berührung. Ihr/e Logopäde/inn kann Ihnen beim Erlernen dieser Technik helfen, wobei viele Patienten die Technik auch ohne fremde Hilfe anwenden können.

Literatur

1. Ackerstaff A.H, Hilgers F.J.M, Aaronson N.K, Balm A.J.M, “Communication, functional disorders and lifestyle changes after total laryngectomy”, Clinical Otolaryngology & Allied Sciences; Volume 19, Issue 4, pages 295–300, August 19

2. NIH Publication No. 09-3231A, July 2009

3. Brown DH, Hilgers FJ, Irish JC, Balm AJ.Postlaryngectomy voice rehabilitation: state of the art at the millennium. World J Surg. 2003 ;27:824-31

4. Pinel, John P.J. (2006) Biopsychology. Pearson Education Inc. ISBN 0-205-42651-4 (page 178) 

5. Masaoka Y, Satoh H, Akai L, Homma I (2010). "Expiration: The moment we experience retronasal olfaction in flavor". Neurosci Lett. 473 (2): 92–96.

6. Hilgers F, van Dam F, et al.; Rehabilitation of olfaction after laryngectomy by means of a nasal airflow-inducing maneuver, The polite yawning technique Arch otolaryngol head neck; 2000;126:726-731l