Stimmprothesenwechsel

Die Lebensdauer derzeit verfügbarer Stimmprothesenmodelle ist unabhängig vom Fabrikat auf Wochen bis Monate begrenzt. Deshalb müssen die Prothesen regelmäßig ausgetauscht werden. Dies erfolgt in der Regel durch das Tracheostoma hindurch am wachen, ggf. örtlich betäubten Patienten. Wie anspruchsvoll sich ein solcher Stimmprothesenwechsel für Patienten und Arzt gestaltet hängt davon ab, wie oft die Stimmprothese bereits gewechselt wurde, wie groß das Tracheostoma ist, wo die ösophagotracheale Fistel liegt, welches Einsatzverfahren gewählt wird, ob Komplikationen beherrscht werden müssen und wie empfindlich der Patient bei Manipulation an der Luftröhre reagiert.

Die Bandbreite reicht von einem wenige Sekunden dauernden unproblematischen Austausch einer baugleichen Stimmprothese bis hin zum äußerst dynamisch verlaufenden Eingriff am wachen, unter Umständen hustenden oder erbrechenden, aspirationsgefährdeten Patienten. Neben dem Wechsel der Stimmprothese kann das Ausmessen der korrekten Prothesenlänge, eine Rekanalisierung der ösophagotrachealen Fistel, gar ein Neueinsatz der Stimmprothese ohne Vorwarnung notwendig werden.

Im Folgenden stellen wir ein bewährtes Vorgehen zum Stimmprothesenwechsel dar, das natürlich je nach Patient, Situation und Erfahrung des Operateurs stark modifiziert und abgekürzt werden kann.
Einige grundlegende Anforderungen an die äußeren Bedingungen zum Stimmprothesenwechsel sollten beachtet werden: Eine Stirnlampe oder ein einstellbares Licht sollte vorhanden sein damit der Operateur beide Hände frei hat. Die Ausleuchtung sollte auch im Tracheostoma ausreichend sein! Ob ein vorhandenes Tracheostomapflaster entfernt werden muss hängt davon ab, ob ein Dilatator fixiert werden muss, wie weit das Tracheostoma ist und wie tief die Stimmprothese sitzt.

A) Vorbereitung

Patienten stellen sich nicht immer konkret zum Wechsel der Stimmprothese vor. Vielmehr suchen sie Rat aufgrund eines Problems das dann unter Umständen durch einen Stimmprothesenwechsel behoben wird. Das am häufigsten zum Stimmprothesenwechsel führende Problem ist die Leckage. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Kaffee den der Patient ausgehustet oder aus der Luftröhre abgesaugt hat. Der Kaffee kann aufgrund eines defekten Stimmprothesenventils durch die Stimmprothese (=transprothetisch) in die Luftröhre gelaufen sein. Dann ist das Problem durch einen Stimmprothesenwechsel zu beheben. Der Kaffee kann aber auch an der Stimmprothese vorbei (=periprothetisch) aufgrund einer Erweiterung der ösophagotrachealen Fistel in die Luftröhre gelangt sein. Dann ist das Problem oft nicht durch einen einfachen Wechsel der Stimmprothese auf ein baugleiches Modell zu beheben.

Die Unterscheidung von Problemen die durch einen einfachen Stimmprothesenwechsel behoben werden können von Problemen die durch einen einfachen Stimmprothesenwechsel nicht behoben werden können ist sehr wichtig. Sie sollte vor dem Stimmprothesenwechsel erfolgen, da dieser sonst nicht zielführend ist und die eingesetzte Prothese wertlos ist.

1) Das wichtigste Entscheidungskriterium ist die Art der Leckage

periprothetisch (an der Prothese vorbei) oder transprothetisch (durch die Prothese hindurch). Die Leckage wird vor dem Stimmprothesenwechsel mit einem Schluckversuch überprüft. Der Schluckversuch dient also weniger der Überprüfung der Angabe des Patienten dass die Prothese undicht sei, sondern erlaubt eine genauere Analyse des Problems. Die transprothetische Leckage wird in der Regel durch einen Wechsel der Stimmprothese behoben. Hat sie einmal eingesetzt, kann meist auch durch intensive Reinigung kein dauerhafter Ventilverschluss mehr hergestellt werden.
Die  periprothische Leckage kann im einfachsten Fall durch eine zu lange Stimmprothese verursacht worden sein, was leicht zu beheben ist. Sie kann aber auch durch eine Atrophie und Dilatation des Shuntes oder eine Infektion und Nekrose im Shuntbereich bedingt sein, was wesentlich aufwändiger zu behandeln ist.

Management der periprothetischen Leckage   

Der Schluckversuch zur Unterscheidung zwischen transprothetischer und periprothetischer Leckage:
Der Schluckversuch wird in der Regel mit Wasser durchgeführt, da dies im Falle einer Aspiration am ungefährlichsten ist. Selten ist eine farbige Flüssigkeit (z.B. Wasser mit etwas Milch, Wasser mit Methylenblau o. ä.) zur Feststellung geringer Leckagen notwendig. Der Patient sollte mindestens dreimal einen normal großen Schluck Wasser trinken. Dabei sollte auch während dem oft zu beobachtenden Nachschlucken auf eine Leckage geachtet werden. Um beim Durchtritt der Flüssigkeit deren Aspiration zu verhindern, wird sie mit einem Sauger aufgenommen. Die transprothetische Leckage ist meist leicht zu diagnostizieren. Leckage um die Stimmprothese herum kann schwierig zu sehen sein.

Leckage (Video)

Auch die Inspektion der ösophagotrachealen Fistel ergibt Hinweise auf eine mögliche periprothetische Leckage. Tropfenförmig ausgezogene Shunts oder Shunts mit sichtbaren Infektionszeichen oder gar Nekrosen weisen häufig eine periprothetische Leckage auf.

2) Die Länge der Prothese

ist das zweite wichtige Kriterium was vor dem Stimmprothesenwechsel zumindest überdacht werden sollte. Ist die einliegende Prothese weder zu lang noch zu kurz, so wird die neue Prothese in der gleichen Länge gewählt. Muss eine Längenanpassung vorgenommen werden, so gibt die Länge der alten Prothese einen groben Anhalt. Die genaue Länge der neuen Prothese sollte dann nach Entfernung der alten Stimmprothese mit einem Messgerät gemessen werden. Das Wissen, dass der Shunt ausgemessen werden muss ist wichtig, da der Stimmprothesenwechsel nun einen Zwischenschritt, das Ausmessen beinhalten muss und die entsprechenden Instrumente und verschieden lange Prothesen bereitgestellt werden müssen.

Eine mehr als 2mm zu lange Stimmprothese (1) sollte durch eine kürzere ersetzt werden da sie sich im Shunt kolbenartig bewegt und so eine periprothetische Leckage bedingt. Auf keinen Fall darf  eine zu kurze Stimmprothese eingesetzt werden da sie zu Durchblutungsstörungen des Shuntes führt die diesen dauerhaft schädigen können.
Eine gut passende Stimmprothese sitzt passgenau ohne Druck auszuüben oder hat bis maximal 2 mm Spiel. 

3) Die Wahl des Prothesentypes

ist das dritte Kriterium das vor dem Stimmprothesenwechsel überdacht werden sollte. Wenn die bisher genutzte Prothese eine ausreichende Verweildauer hatte, der Patient damit zufrieden war und aktuell keine Probleme am Shunt bestehen, wird das Prothesenmodell nicht gewechselt. Ist die Verweildauer zum wiederholten mal gering, zeigt sich eine ausgeprägte Biofilmbildung am Ventil, lässt sich eine unterdruckbedingte Ventilöffnung beim Einatmen nachweisen oder bestehen Shuntprobleme, sollte der Einsatz einer Spezialprothese erwogen werden.

4) Wahl des Einsatzverfahrens

Hat man sich für eine Prothese entschieden, wird ein geeignetes Einsatzverfahren gewählt. Dabei ist in erster Linie das vom Hersteller der jeweiligen Prothese empfohlene Einsatzverfahren anzuwenden. Wenn gute Gründe bestehen kann jedoch auch ein anderes Einsatzverfahren gewählt werden. Fast alle Stimmprothesen können z.B. retrograd mit einem Führungsdraht über den Mund gewechselt werden, wenn dies notwendig ist.
Eine ausführliche Darstellung der Vor- und Nachteile der einzelnen Einsatzverfahren finden sie unter:

Einsatzverfahren

5) Bereitstellen des Instrumentariums

Es hat sich bewährt die zum Stimmprothesenwechsel benötigten Instrumente in ein Set zusammenzufassen, da es während dem Wechsel nicht immer leicht möglich ist, benötigte Instrumente zu suchen.

Instrumentarium

B) Durchführung des Stimmprothesenwechsels

Während des Stimmprothesenwechsels muss eine Aspiration von Speichel möglichst verhindert werden, da es sonst zu störendem Husten kommt. Wenn der Shunt nicht durch eine Prothese oder einen Dilatator verschlossen ist,  lässt man deshalb den Patienten den Mund weit öffnen. Bei weit geöffnetem Mund können die wenigsten Menschen schlucken was die Aspiration von verschlucktem Speichel während dieser Wechselphasen verhindert. Besonders von Bedeutung ist dies, da Kehlkopflose gleichzeitig Schlucken und Atmen können.

Selten ist zur Reduktion von Schmerz und Hustenreiz beim Stimmprothesenwechsel eine Sprühanästhesie der Trachealschleimhaut notwendig.

1) Zunächst wird die alte Stimmprothese entfernt. Hierfür wird sie am besten mit zwei anatomischen Klemmchen am trachealen Flansch angeklemmt und komplett aus dem Shunt gezogen. Ist die Prothese entfernt wird der Shunt umgehend wieder verschlossen indem ein Dilatator eingelegt wird.
LINK Instrumente Stimmprothesenwechsel-Klemmchen

2) Muss die Länge des Shuntes ausgemessen werden, so wird der Dilatator entfernt und ein Messgerät eingebracht, die Messung durchgeführt und der Dilatator wieder eingebracht.
Instrumente Messgeräte

3) Nun kann die Prothese mit dem gewählten Einsatzverfahren eingesetzt werden.

4) Nach ihrem Einsatz wird die Stimmprothese in ihrer Funktion überprüft. Der Patient testet ob das Sprechen funktioniert. Dann erfolgt ein erneuter Schluckversuch um die Dichtigkeit der Prothese zu kontrollieren.

5) Sind alle Funktionen regelrecht wird der korrekte Sitz der Stimmprothese im Shunt geprüpft. Die Prothese sollte leicht drehbar (nicht bei Eska-Herrmann Prothesen) und der ösophageale Flansch sicher in der Speiseröhre platziert sein. Bestehen diesbezüglich Zweifel, so kann mit einer Optik durch das Ventil der Prothese endoskopiert und die korrekte Prothesenlage kontrolliert werden.

6) Bei korrekter Funktion und Lage der Stimmprothese, wird das Halteband bei Verweilprothesen abgetrennt. Einige Hersteller empfehlen nach dem Abtrennen des Haltebandes die Drehung der Prothese in eine spezielle Position.

Stimmprothesenwechsel (Video)

Soll die korrekte Lage des ösophagealen Flansches überprüft werden, so ist dies am sichersten durch eine transprothetische Endoskopie möglich. Die meisten Prothesen sind mit einem Endoskop passierbar und der ösophageale Flansch kann in der Speiseröhre optisch kontrolliert werden. 

C) Nachbereitung

Die Nachbereitung des Stimmprothesenwechsels beinhaltet:

  • Instruktion des Patienten (Prothesentyp, Pflege…)
  • Versorgung des Tracheostomas (Kanüle/Pflaster…)
  • Dokumentation des Prothesentyps und von Besonderheiten
  • Motivation des Patienten zur Nutzung eines HME