Pharynxspasmus

Definition - Pharynxspasmus

Der Begriff „Pharynxspasmus“ resultierte aus einer unvollständigen Übersetzung der Bezeichnung „pharyngeal constrictor muscle spasm“ aus den ursprünglichen englischen Publikationen, welche die Injektion von Botulinum-Toxin A zur Behandlung des Problems darstellten (siehe Literatur). Der Begriff Pharynxspasmus hat sich in der deutschen Literatur zum Thema verbreitet und wird deshalb hier genutzt, auch wenn er wenig präzise und irreführend ist. Er ist unpräzise, weil nicht der gesamte Pharynx betroffen ist. Irreführend ist er weil nicht im eigentlichen Sinn ein Spasmus (Krampf) vorliegt, sondern die erhaltene physiologische, zirkuläre Kontraktionsfähigkeit eines Teils des Pharynx.

Klinik

Patienten mit einem Pharynxspasmus fallen heute meist auf, wenn nach der Laryngektomie trotz Einlage einer Stimmprothese keine Stimme angebahnt werden kann. Trotz gut durchgängiger Stimmprothese, korrekter Stimmprothesenlage und weitem Pharynx ist den Patienten auch bei großer Anstrengung kein Sprechen möglich. In einigen Fällen kann ein sehr kurzer Ton produziert werden, der dann schnell blockiert wird.

Pathophysiologie

Zum Pharynxspasmus kommt es, wenn im Rahmen der Laryngektomie keine Myotomie des M. constrictor pharyngis und auch keine Neurektomie der pars pharyngealis des N.glossopharyngeus durchgeführt wurde, oder diese funktionell unwirksam sind. (» Myotomie, Neurektomie) Dann wird die Luft welche zum Sprechen durch die Stimmprothese in den Ösophagus geleitet wird, durch eine heftige zirkuläre Kontraktion des M. constrictor pharyngis (Schlundschnürer Muskel) daran gehindert in den Mund zu strömen. Dieser bei Kehlkopflosen als Pharynxspasmus bezeichnete Vorgang ist ursprünglich ein physiologischer Reflex der verhindert, dass Speise von der Speiseröhre wieder zurück in den Schlund und Mund läuft. Er muss zum Sprechen mit der Stimmprothese z.B. durch eine Myotomie ausgeschaltet werden.

HINWEIS: In den ersten Jahren der Stimmrehabilitation mit Stimmprothesen erfolgte, vor dem damals überwiegend sekundären Stimmprotheseneinsatz, meist ein Insufflationstest zum Ausschluss eines Pharynxspasmus. Insufflationstest

Diagnostik

Klinische Untersuchung

Besteht der Verdacht auf einen Pharynxspasmus, so muss zunächst ausgeschlossen werden, dass ein Prothesen- oder Shuntproblem besteht. Durch eine transprothetischen Endoskopie wird überprüft, ob die Stimmprothese korrekt im Shunt einliegt, der Shunt in die Speiseröhre durchgängig ist und keine hochgradige Stenose des Pharynx vorliegt. Weiterhin wird überprüft, ob der Patient sprechen kann wenn der Arzt/Logopäde das Tracheostoma verschließt ohne Druck auf das Tracheostoma auszuüben. Hierfür kann auch ein Tracheostomaventil genutzt werden. Es soll ausgeschlossen werden, dass der Patient mit dem Druck auf das Tracheostoma bei der digitalen Okklusion auch das PE-Segment komprimiert. Dieses ist immer wieder Ursache für eine Sprechunfähigkeit und kann mit einem Pharynxspasmus verwechselt werden. Ist auch bei druckfreier Okklusion des Tracheostomas das Sprechen nicht möglich besteht der hochgradige Verdacht eines Pharynxspasmus.

Radiologische Darstellung des spastischen Pharynxsegmentes

Zur genauen Darstellung des spastischen Pharynxsegmentes (Das „spastische Pharynxsegment“ ist eigentlich ein zirkulär kontraktionsfähiger Anteil des M. constrictor pharyngis) wird nun eine Videokinematographie des Schluckaktes und während eines Sprechversuches durchgeführt. Hierfür wird zunächst in Frontal- und Lateraldurchleuchtung ein Schluck bariumhaltiges Kontrastmittel geschluckt um hochgradige Pharynxstenosen auszuschließen (Bild 1a). Die Schleimhaut des Pharynx ist nun für einige Minuten röntgenkontrastiert. In Seitprojektion erfolgt der Sprechversuch. Hierfür wird der Oberrand des Tracheostomas mit einem röntgendichten Marker (z.B. Büroklammer) markiert. Dann verschließt der Patient manuell sein Tracheostoma und versucht mit Kraft „AAA“ zu sagen. Während diesem Versuch erfolgt die Durchleuchtung. Es zeigt sich typischerweise ein Bild, auf dem das spastische Pharynxsegment sichtbar ist, wie in Abbildung 1b dargestellt. Es kann nun der Abstand zwischen Tracheostomaoberrand (Marker) und spastischem Pharynxsegment ausgemessen und am Patienten angezeichnet werden wie in Abb. 2 demonstriert.

Die Lidocain Testinjektion

Um den Pharynxspasmus als Ursache der Sprechunfähigkeit des Patienten zu beweisen erfolgt nun eine Testinjektion mit Lidocain. In das eingezeichnete Segment (Siehe Abb. 2) werden einseitig (Eine beidseitige Injektion kann massive Schluckbeschwerden verursachen) 5-10ml Licocain 1%, 0,5-1cm tief infiltriert. Ist nach wenigen Minuten das Sprechen möglich, ist der Pharynxspasmus bewiesen. Eine EMG-gesteuerte Injektion von Botulinum-Toxin zur Therapie des Pharynxspasmus wird hochwahrscheinlich erfolgreich sein.

Therapie

Bei nachgewiesenem Pharynxspasmus als Ursache einer Sprechunfähigkeit nach Stimmprotheseneinlage kommen zwei Therapiemöglichkeiten in Frage, die sekundäre Myotomie des M. constrictor pharyngis oder die EMG-gesteuerte Injektion von Botulinum-Toxin A.

Die sekundäre, chirurgische Myotomie des M. constrictor pharyngis ist ein schwieriger und komplikationsträchtiger Eingriff, da die A. carotis oft weit nach medial verlagert ist, die Narben die Präparation des Pharynx erschweren und die Wundheilung oft durch eine Radiatio beeinträchtigt ist. Wir empfehlen anstatt einer sekundären chirurgischen Myotomie eine EMG-gesteuerte Injektion von Botulinum-Toxin A durchzuführen.

EMG-gesteuerte Botulinum-Toxin A Injektion

Botulinum-Toxin hemmt die Erregungsübertragung von Nervenzellen zum Muskel, wodurch die Kontraktion des Muskels bei ausreichender Dosierung ausfällt. Die lähmende Wirkung auf die Muskulatur dauert meist für Wochen an. Zur Therapie des Pharynxspasmus wird das Botulinum-Toxin in den M. constrictor pharyngis injiziert. Damit soll der zuvor radiologisch dargestellte und mittels Lidocain-Testinjektion nachgewiesene, zirkulär kontraktionsfähige Teil des M. constrictor pharyngis gelähmt werden. Um die injizierte Menge Botulinum-Toxin klein wählen zu können und trotzdem sicher die zirkuläre Kontraktion des M. constrictor pharyngis zu unterdrücken, muss die Injektion möglichst präzise in das betreffende Segment des Muskels erfolgen. Dies gelingt am besten unter EMG-Kontrolle (EMG = Elektromyographie). Mit einer bipolaren EMG-Injektionsnadel wird einseitig medial der A. carotis in den Pharynx punktiert und die sichere Lage der Nadel im M. constrictor pharyngis mit dem EMG überprüft. Dann wird ein Depot mit Botulinum-Toxin injiziert. Wir nutzen 100 MU Botulinum-Toxin A und verteilen dieses auf 4-5 Depots auf die ganze Länge des zirkulär kontraktionsfähigen Pharynxsegmentes. Die Injektion des Botulinum-Toxins kann schmerzhaft sein und einen Hustenreiz auslösen.

Die Wirkung der Injektion ist nach 2-7 Tagen zu erwarten. Die Erfolgsquote der Botulinum-Toxin-Injektion wird in der Literatur sehr verschieden angegeben und ist auch sehr von der EMG-Anwendung abhängig. Bei Durchführung der Injektion wie oben beschrieben, kann mit einer Erfolgsquote von knapp über 90% gerechnet werden. Der Effekt der Behandlung hält bei etwa einem Drittel der Patienten auf Dauer an. Ein weiteres Drittel benötigt eine zweite Botox-Injektion. Der Rest der Patienten braucht wiederholt Botox-Injektionen alle 3-6 Monate.

ACHTUNG: Die Anwendung von Botulinum Toxin A in dieser Indikation ist ein OFF LABLE USE!

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